Die Gastfreundschaft des Tunesischen Volkes

Seit Beginn des Konfliktes in Libyen Anfang im Jahr 2011, waren laut Bericht der UNHCR bis Juni bereits 300.000 Personen nach Tunesien über die offiziellen Grenzübergänge Ras Ajdir und Dehiba gekommen. Das Tunesische Volk hat die Libyer mit außerordentlicher Gastfreundschaft aufgenommen. Es wurde geschätzt, dass 60.000 Menschen Unterkunft bei Gastfamilien im südlichen Tunesien, hauptsächlich in der Region von Medenine, Tataouine, Djerba und Gabes gefunden haben.
Vor ungefähr hundert Jahren kamen schon einmal Bewohner aus dem heutigen Libyen nach Tunesien. Oftmals Berber flohen sie vor italienischen Kolonisatoren aus den Nafusa Bergen und aus der Gegend um Tripolis in die südlichen Gebiete des heutigen Tunesiens. Viele blieben damals für immer in Tunesien. Solche familiären und historischen Verbindungen verstärkten die Solidarität mit den heutigen Flüchtlingen.

2011 flohen die Menschen vor Krieg und Zerstörung durch den libyschen Landesführer Colonel Gaddafi. Viele der Männer, besonders aus den Bergen brachten allerdings nur ihre Frauen und Kinder über die Grenze, dann gingen sie zurück nach Libyen, um den Aufstand gegen das libysche Regime weiterzuführen.

Die Menschen aus den Städten flohen aus Angst um Leib und Leben, hinzu kamen finanzielle Gründe. Zu Beginn der Krise wurden in Libyen die Lohnzahlungen ausgesetzt und die Bankkonten eingefroren. Jede Familie durfte nur eine sehr kleine Summe abheben. Laut Bericht WFP (World Food Program) vom Juni 2011 waren die meisten Libyer, die über die Grenze kamen, staatliche Angestellte der Mittelklasse oder Angestellte von Privatunternehmen deren Arbeit nicht mehr benötigt wurde. Sie kamen mit eigenen Wagen, in denen sie persönliche Dinge, Bekleidung und Haushaltswaren mitbrachten.
Nach offiziellen Schätzungen durch den Gesundheitsministers des Übergangsrates Nadschi Barakat in Libyen, hat der sechsmonatige Bürgerkrieg schon im August 2011 mindestens 30 000 Menschen das Leben gekostet, 50 000 seien bei den Kämpfen verletzt worden.
Der Bürgerkrieg endete mit dem gewaltsamen Tod Gaddafis am 20. Oktober.
Zwischen August und Oktober 2011 (rückwirkend ab März) konnte jede tunesische Familie bei der UNHCR einen Antrag auf 50 Dinar = 26 € pro Monat stellen, die eine registrierte Familie (die Durchschnittsgröße einer Familie wird mit 7 Personen berechnet) aus Libyen bei sich aufgenommen hatte. Der Betrag war für Wasser und Elektrizität gedacht.
Man muss bedenken, dass in Libyen die Elektrizität, das Brot, der Kauf von Autos, Benzin (8 ct/l) und vieles andere vom Staat stark subventioniert wurde, so waren es viele Libyer nicht gewohnt auf den Verbrauch Rücksicht zu nehmen.
Noch im Oktober 2011 hielten sich einige libysche Familien bei Tunesiern auf. Sie hatten starke Furcht entdeckt zu werden und hatten sich deshalb nicht registrieren lassen.

Das Projekt Tunesien an seinen Grenzen

"Tunesien an seinen Grenzen" ist eine Recherche und fotografische Dokumentation zur Situation in Tunesien acht Monate nach der Revolte im Jahr 2011. In diesem Jahr hatte Tunesien keine politische Führung mehr, das Parlament wurde im Januar unter Druck der Bevölkerung entlassen, der damalige tunesische Präsident Zine el Abidine Ben Ali floh nach 23 jähriger Amtszeit am 14. Januar 2011 nach Saudi-Arabien. In Tunesien herrscht hohe Arbeitslosigkeit und Armut. Zur gleichen Zeit eskalieren im Nachbarstaat Libyen die Aufstände in einen Bürgerkrieg.

Allein von Januar bis Juni 2011 kamen ungefähr 500.000 Flüchtlinge aus Libyen selbst und über Libyen aus Drittländern nach Tunesien. Bilder aus der von Unruhen geschüttelten Hauptstadt Tunis und den Flüchtlingscamps im Süden Tunesiens an der Grenze zu Libyen. Fotografien aus den Jahren 1993 -1998 ergänzen die Ausstellung. Eine sehr persönliche Dokumentation mit Bezügen zur europäischen Geschichte. Zum Buch hier klicken